4×4

Die nächsten Verwandten von Guanacos sind Kamele, was man auf diesem Bild gut erkennt, finde ich

Von Puerto Natales fliegen wir nach Puerto Montt und 20 Stunden später weiter nach Coyhaique (bzw. Balmaceda, wie sich dessen 50km entfernter Flughafen nennt). In manchen Städten, so kommt es uns vor, funktioniert einfach so gar nichts. So auch in Puerto Montt. Fahrräder kommen ja in Kartons mit in den Flieger. Man kann sich vorstellen, dass so ein fahrradgroßer, 25kg schwerer Karton nicht das handlichste Ding ist, um es mit sich rumzutragen. Da unser Aufenthalt in Puerto Montt jedoch 20 Stunden beträgt, müssen wir die Räder abholen und am nächsten Tag wieder einchecken – es gibt allerdings weder eine Gepäckaufbewahrung am Flughafen noch ein Hotel dort in der Nähe, weswegen wir mit Taxi und Ach und Krach und zwei Rädern im Gepäck zum maximal entferntesten, über eine private Plattform gebuchten Apartment fahren müssen. Beim Ausladen verspricht uns der Fahrer, uns am nächsten Morgen wieder mitsamt der Kartons abzuholen – später antwortet er auf meine SMS, in der ich ihm mitteile, wann genau er kommen soll, dass das leider nicht möglich ist weil wir zu weit weg vom Flughafen wohnen würden und er leider keine Fahrräder in seinem Auto transportieren könne. Abgesehen davon bestellt David zum Abendessen versehentlich Fleisch und versinkt kurz in einem inneren moralischen Konflikt (er ist Vegetarier) und im Apartment gibt es weder Handtücher noch das Konzept Nachtruhe bei den benachbarten Jugendlichen und die LATAM Airline,  bei der ich versuche Daniels Rückfug umzubuchen, lässt mich nach einer Stunde Passnummer diktieren einfach in der Warteschleife ersaufen. Außerdem erfahren wir, dass Ben in Puerto Natales bei der Ausreise positiv auf Corona getestet wurde. Fälschlicherweise, wohlgemerkt, er hat dem positiven Schnelltest einen negativen PCR Test hinterhergeschoben – die hohe Quote an falsch positiven Schnelltests interessiert die Behörden aber nicht und er wird für sieben Tage in ein „Quarantänehotel“ (was auch immer das ist) verfrachtet und verpasst seinen Rückflug. Das hat zwar nichts mit Puerto Montt zu tun, passiert aber am selben Tag und ist auch blöd.

Auf der Carretera Austral Richtung Süden

Irgendwie kommen wir dann am folgenden Tag nach wenig Schlaf doch wieder zum Flughafen (der Taxifahrer hat eine erboste whatsapp Nachricht erhalten, in dem ich ihm auf brüchigem Spanisch eine Moralpredigt über den Wert von Handschlagabmachungen halte, die gewirkt zu haben scheint. Wir müssen trotzdem fast das doppelte vom Vortag zahlen) und auch nach Coyhaique und hier klappt dann alles wieder so wie es soll: Der Mietwagen, den wir vorher via Telefon reserviert haben, ist tatsächlich da und funktioniert (es ist momentan enorm schwer, Autos zu mieten, da nach Corona alle ihre Flotten verkleinert haben und man kurzfristig eigentlich nie was kriegt – außer halt bei der einen zwielichtigen Autofirma, die nicht mal eine Website hat). Wir packen endlich die Räder aus den zerfledderten Kartons, stopfen alles in den Geländewagen und machen uns Richtung Villa Cerro Castillo auf.

Staubige Straßen (das müssen wir bald mit dem Rad entlang, vielleicht fangen wir doch an, auch draußen FFP2 Maske zu tragen…)
Weites weites Patagonien…
On the road

Plötzlich erinnert uns vieles an vor zwei Jahren: Dieselbe Strecke sind wir unserem damaligen Auto gefahren; allerdings erfahren wir sie jetzt ohne Matsch und mit dem geeignetem Allradantrieb, was seltsam, beruhigend, stressfrei und deutlich weniger wild ist (wild ist hier im positiven als auch negativen Sinne zu verstehen). In Cerro Castillo wandern wir zur Laguna Castillo, die 1200 Höhenmeter fallen uns merklich leichter nach unserem O-Trek Trainingslager und wir joggen an den anderen Touristen vorbei und holen uns sockenberänderten Sonnenbrand. Abends schlafen wir in einem runden Haus und empfinden alles hier als friedlich und harmonisch.

Das wundervolle Schotterstraßenlotterleben im 4×4 Van
Die Gletscherlagune Castillo
Der Cerro Castillo Gipfel
… und der Talblick von selbigem
Beim Sonnenbrandholen
Unser Rundhaus

Dann geht es weiter nach Puerto Rio Tranquilo, das von Touristenschwärmen übersät wird. Da alle Unterkünfte voll sind fahren wir ans hinterletzte Eck der Stadt, wo wir vor zwei Jahren eine Cabaña (ein kleine Häusle mit Holzofen) gemietet haben – auch damals von irgendeinem Typen, der uns auf der Straße angelabert hat. Der Geheimtrick funktioniert, wir klopfen bei dem Typen, der direkt neben seiner Cabaña wohnt an und fragen, ob wir da schlafen können. Wir können und fühlen uns als hätten wir El Dorado gefunden in einer Stadt voller Internetbuchungen. El Dorado wieder ohne Handtücher, wohlgemerkt. Scheint hier ein Ding zu sein. Am selben Tag machen wir eine Bootstour zu den naheglegenen Marmorhöhlen, die Gletschertour, die wir eigentlich geplant hatten, ist ausgebucht. Gottseidank kommen David und ich ja später nochmal vorbei.

Die Marmorhöhlen in Rio Tranquilo

Nach Rio Puerto Tranquilo führt uns der Roadtrip ins noch südlichere Cochrane zum Nationalpark Patagonia. Dieser wurde finanziert von den Gründern der Marke NORTH FACE und ESPRIT (genau, die Kleidung), die das Fleckerl Land so schön fanden, dass sie es gekauft und an den Staat Chile geschenkt haben mit der Bedingung, es solle ein Nationalpark bleiben. Man merkt ein bisschen den amerikanischen Einfluss in den breiten Einfahrten und dem enorm hochwertigen Museum am Parkeingang. Im Park selbst umkreisen einen Guanacos und Raubvögel und es ist anders als die Teile Patagoniens, die wir bisher gesehen haben, steppenartiger.

Im Nationalpark Patagonia
Kletterdavid
Guanacoherde beim Grasen
In einem anderen Teil des Nationalparks

Am zweiten Tag, den wir im Park verbringen wollen, regnet es aus Eimern, weswegen wir stattdessen ins nahegelegene und auf Holzstegen gebaute Tortel fahren, das aussieht wie eine Mischung aus Venedig, Norwegen und Tortuga (oder zumindest so, wie ich mir Tortuga vorstelle) und weil Sonntag ist, sehr ausgestorben ist.

Der Blick über die Bucht von Tortel
Am Meer in Tortel (bzw. einem brackwässrigen Meeresarm)
Es muss wirklich einen guten Grund gegeben haben um die Stadt GENAU HIER zu bauen, denn praktisch ist es nicht wirklich

Am folgenden Tag verlässt uns Daniel und fährt zurück nach Coyhaique, von wo aus er nach Santiago und schließlich wieder nach Hause fliegen wird. Wir wollen noch 200km weiter nach Süden, nach Villa O’Higgins, an den offiziellen Start der Carretera Austral. An der Busstation erklären sie uns allerdings, dass es für unsere Räder keinen Platz gibt und wir resignieren – der Weg hierher war bereits so aufwendig (2 Flüge und 5 Tage Auto), dass uns eine nur fast vollständige Carretera reicht. Klar könnten wir autostoppen oder runterradeln. Wir könnten aber auch einfach noch zwei Tage in Chochrane entspannen und dann von hier aus starten. Wir entscheiden uns für letzteres, machen Feuer in unserem Cabañaholzofen, schauen den Sonnenuntergang vom Stadthügel aus an, trinken Dosenbier und sind in ruhevordemsturmartiger Manier entspannt. An dieser Stelle wollen wir uns außerdem nochmal bei Ben und Daniel für die Begleitung bedanken – es war enorm schön und bereichernd, dass ihr dabei wart!

Abschiedsselfie mit Daniel mit schön ansteigenden Rotpigmenten im Haar von rechts nach links
Der gute alte Schopfkarakara
Am Weg
David und Tierbabys…
Abendstimmung in Cochrane – hier gibt es sogar ein Gymnasium

2 responses for 4×4

  1. Mami sagt:

    Meine liebe Leni, mein lieber David
    nun seid ihr allein auf eurer Reise. Genießt jeden Bikekilometer. Diese beeindruckenden Fotos kann man sich gar nicht oft genug anschauen. Faszinierend. hatet die Ohren steif und schaut aufeinander. Big Hug und 1000 Bussisis Mami

  2. Hallo Leni, klingt ja irgendwie aufreibend und trotzdem schön. So wunderschöne Fotos, sagenhaft. Ich mache mir schon Sorgen um euch. Gebt gut auf euch acht. Alles Liebe Oma