sunset 9PM

Es ist immer wieder überraschend, wie ähnlich die Dinge an anderen Enden der Welt funktionieren. Shoppingcenter, Uber, Prepaid SIM Karten, Auto mieten, Augentropfen kaufen, Essen bestellen, Bier trinken, Rachenabstriche, Maskenpflicht. Zwar in kryptisch zischelndes Spanisch gehüllt sind die Abläufe hier anfangs etwas holprig aber dennoch gestaltet sich der Übergang von zuhause ins chilenische Fremde als sanft.

Die Sonne strahlt 28 Grad auf uns herunter als wir um 9 Uhr morgens aus dem Flieger steigen. Die Anreise ist, bis auf einen Schneesturm zwischen Salzburg und München und Davids PCR Testergebnis, das erst wenige Stunden vor Abflug kam, reibungslos verlaufen. Hier und da ein paar schnarchende Menschen im Flugzeug, einige tobende Kinder und ein bisschen zu wenig Abendessen aber allgemein ruhig und unkompliziert. Die Komplexität beginnt erst als wir landen. Aussteigen und direkt zur Seuchenkontrolle, wie Daniel es so schön nennt. 5 verschiedene Einreisedokumente und -formulare herzeigen, Pass scannen, Rachenabstrich, nochmal Dokumente zeigen, Fahrräder und Gepäck holen, durch den Zoll (nein, in unseren Fahrradkartons sind sicher keine Nüsse oder Samen, nein, wir haben keine Rechnung für die Fahrräder, nein, wir möchten sie gerne nicht auspacken wenn das geht), Geld abheben, Flughafen verlassen, Shuttle Service suchen, feststellen, dass nicht 2 Kartons in 1 Auto passen (told you so on the phone…), in zwei Partien zum Hotel fahren, einchecken, warten. Warten. Warten. Man ist so lange in Quarantäne, bis der negative PCR-Test kommt, was etwa nach 8 Stunden passiert. Bis dahin bestellen wir Essen von der Hotelbar aufs Zimmer (ein kleines erstes Mal!) und sortieren unser Gepäck neu. Abends fahren wir noch in die Stadt, treffen Daniel und sind überrascht über den späten Sonnenuntergang und die milden Temperaturen. Daniel ist übrigens ein Freund von uns, unter anderem geschäftlich in Chile und wandert mit uns den O-Trek.

Santiago vom Costanera Center aus, dem höchsten Gebäude Südamerikas
Die plötziche Professionalität unserer Bilder ist übrigens dem Daniel zuzuschreiben

Am folgenden Tag mieten wir ein Auto, was spontan gar nicht so einfach ist in Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Autovermietungen ihre Flotten verkleinert haben seit Corona und uns deshalb niemand außer einem sehr freundlichen aber auch ein bisschen ganovenhaften alten Mann, der im Seiteneingang einer Tiefgarage sitzt, ein Auto vermieten kann. Wir vertrauen auf die freundliche Seite in dem guten Mann und werden nicht ausgeraubt sondern erhalten einen untermotorisierten Hyundai, holen Daniel ab und fahren ins nächstgelegene Valparaíso.

Valparaíso ist laut, dreckig, bunt und künstlerisch aber nicht auf die gentrifizierte Art. Wir essen Sandwiches, holen uns Sonnenbrand und Pfirsiche und fotografieren Graffitis, von denen ich gerne mehr Fotos zeigen würde, hätte nicht mein Handyspeicher den Geist aufgegeben. Danach springen wir in den eisigen Pazifik und genießen, dass es hier nicht schneit.

Valparaíso ist berühmt für seine Graffitis

Am nächsten Tag folgt der Flug nach Puerto Natales. Also wieder: Zusammenpacken, Logistik organisieren, Treffpunkte ausmachen und die südamerikanische Flughafenstruktur überleben – ein heilloses Durcheinander. Das heillose Durcheinander hat aber auch dafür gesorgt, dass das Kreditkartenterminal beim Gepäckschalter ausgefallen war und darum dürfen die Räder heute umsonst mitfliegen.

Auch wenn sich Chilenen in manchen Dingen nicht um Regeln zu scheren scheinen, so sind sie was Coronamaßnahmen angeht überaus diszipliniert. An vielen Geschäften wird die Temperatur am Handgelenk (!) gemessen und es herrscht Maskenpflicht auf der Straße. Wir wurden sogar einmal auf einem großen leeren Platz von einem Passanten aufgefordert, unsere Masken aufzusetzen, obwohl außer ihm sonst weit und breit niemand in Sicht gewesen ist. Nervig aber dank dieser Ernsthaftigkeit in Coronafragen sind hier über 90 Prozent der Bevölkerung geimpft.

Nun sitzen wir im Flieger nach Puerto Natales und schauen den vorbeiziehenden Gletschern und Bergketten nach. Über dem Torres del Paine Massiv fliegt der Pilot mit unserer Linienmaschine ein paar Steilkurven während alle Passagiere an den Fenstern kleben und die darunterliegende Landschaft bestaunen. Am Flughafen dann erneut: Organisation und Logistik um ins Hotel zu komme, dann Einkäufe, Busse buchen, Essen, Sonnenuntergang, alles auf der To-do Liste. Ab Morgen wandern wir dann 10 Tage durch den Torres del Paine Nationalpark, wenn wir uns also nicht melden sind wir nicht tot sondern nur empfangslos.

Der Perito Moreno Gletscher von oben
Am winzigen Flughafen in Puerto Natales
Stressselfie