erstes reisedrittel

Geschafft, die Stoßdämpfer sind repariert, wir fahren Richtung La Paz! Zeit, noch einmal über das erste Drittel unserer Reise nachzudenken. Am 27. Juni sind wir spätnachts in Cartagena angekommen. Hier verbrachten wir einige Tage, holten unser Auto und gewöhnten uns an Südamerika. Das Gewöhnen hat bei mir ein oder zwei Wochen gedauert und fühlte sich an wie ein behutsames Abstumpfen. Man sieht Dinge, die einem sehr fremd und anders vorkommen und dann sieht man immer mehr davon und irgendwann ist es einem egal. Das ist gut, weil damit auch Ängste und Vorurteile verschwinden.

Cartagena

Cartagena ist bunt, wunderschön und voller nachgebauter Piratenschiffe. Die Bevölkerung stammt hauptsächlich von ehemaligen Sklaven aus Afrika ab und unterscheidet sich damit stark vom restlichen Kolumbien. Das Land wurde in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur von Drogenkriminalität gebeutelt, sondern auch von gewaltsamen Konflikten zwischen der Regierung und paramilitärischen Gruppen. Vor einigen Jahren wurde Frieden geschlossen, trotzdem mussten wir im dicht bewaldeten Norden noch oft an Straßensperren der schwer bewaffneten ‚Policia‘ haltmachen und uns ausweisen.

In Medellín hörten wir kein einziges Mal den Namen Pablo Escobar und fragten auch nicht danach. Den Bewohnern ist es unangenehm, dass Horden von Katastrophentouristen die Stadt aufsuchen um auf den Spuren eines Mörders und Terroristen zu wandeln. Das Leben hier findet friedlich auf der Straße statt, unzählige spielende Kinder, Pärchen und Studenten bevölkern die vielen Plätze und Parks. 

In den ersten zwei Wochen fahren wir viele, manchmal acht oder neun Stunden am Tag. Das ist anstrengend und belastet uns beide enorm. Ich ertrage mehr als drei Stunden Lenkradzeit nicht und bin froh, dass L meistens den Löwenanteil der Fahrt übernimmt. Wir werden die Strecken ab Bolivien reduzieren und versuchen, nur noch drei oder höchstens vier Stunden pro Tag unterwegs zu sein.

In Medellín
In Medellín

Das Erste, was uns in Ecuador auffiel war die gute Straßenqualität. Breite, mehrspurige Autobahnen führen durch das ganze Land und erleichtern das Fortkommen enorm. Alles wirkt sehr amerikanisch und deutlich wohlhabender als in Kolumbien. Die Leute sehen anders aus als weiter im Norden. Wir treffen immer weniger Nachfahren von Sklaven und spanischen Kolonialisten und dafür mehr und mehr indigene Menschen die oft im Alltag kein Spanisch sondern Quechua oder Mapuche sprechen.

Camping
Quito
Quito

Im feucht-heißen Süden Ecuadors fühlten wir uns nicht sehr wohl. So schnell wie möglich durchquerten wir die Gegend und überschritten im äußersten Norden Perus die Grenze. Perus Nordküste besteht aus karger Sandwüste mit vereinzelten staubigen Orten. Kein Naturschauspiel oder Kulturgut lockt Touristen in die Region, dementsprechend schlecht ist die lokale Infrastruktur. Man hört viele Warnungen vor bewaffneten Raubüberfällen, daher schlafen wir nur in Hotels anstatt im Auto.

Lima
Lima

Südöstlich von Lima wird Peru grüner und bergiger. Die Höhe macht uns anfangs zu schaffen, dafür sehen wir einzigartige Ruinen, Städte und Landschaften. Durch unseren erzwungenen Aufenthalt in Cusco haben wir zum ersten Mal Zeit, eine Gegend ausgiebig kennenzulernen. Dennoch ist es gut, wieder auf der Straße zu sein, immerhin wollen wir nach Patagonien!

Bei Pisac
Bei Pisac

Heute morgen brachen wir von unserem Nachtlager in Ayaviri in Richtung der bolivianischen Grenze auf. Auf dem Weg zur Hauptstraße lagen in regelmäßigen Abständen große Steine und Felsblöcke auf der Straße, quer über die Fahrbahn verstreut. Irritiert versuchen wir, das Dorf auf einem anderen Weg zu verlassen. Doch auch hier finden sich improvisierte Straßensperren. Mangels Alternativen räumen wir einige Steine zur Seite und kämpfen uns so langsam vorwärts. Nach einiger Zeit erreichen wir eine Menschenmasse, die sich um unser Auto schart, gegen die Scheiben klopft und auf die Motorhaube setzt – wir sind mitten in einer Straßenblockade, organisiert von einer sozialistischen Lokalpartei.

Die aufgebrachte Menge ruft ‚¡No podeis pasar, Gringos!‘, soviel wie: ‚Ihr kommt nicht vorbei, Amerikaner!‘. Man kann ihnen den Fehler nicht verübeln, immerhin haben wir amerikanische Nummernschilder. Wir berichtigen, dass wir eigentlich aus Deutschland kommen (Österreich kennt hier kaum jemand) und die Stimmung beruhigt sich. L erklärt dem Wortführer, dass wir dringend nach La Paz müssen, der Wortführer erklärt L, dass das peruanische Grundwasser dringend vor Verschmutzung durch internationale Bergbaukonzerne geschützt werden muss. Es handelt sich um einen Protest gegen den Abbau von Erzen mittels Chemikalien, da dieser katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Blockiert…

Nachdem wir der Menge versichert haben, dass wir viel Sympathie für Umweltschutz und die sozialistische Sache im Allgemeinen haben, vereinbaren wir mit dem Rädelsführer, dass wir weiterfahren dürfen wenn wir, aus Solidarität, eine Stunde lang bei ihnen bleiben und ein paar Interviews für einen sozialistischen Radiosender geben. Am Telefon erklärt der Wortführer irgendjemandem, dass sie ein paar Touristen aufgehalten haben die dringend nach Bolivien müssen. Man solle doch bitte seine Forderungen erfüllen. Vermutlich wurden wir als politisches Druckmittel verwendet…

Die allgemeine Laune war gut, wir teilten unsere Bananen, die Protestler teilten ihre Kokablätter. So richtig sozialistisch eben. Nach Ablauf einer Stunde verkündete man, dass wir nun weiterfahren dürfen. Ein paar Sturköpfe meinten jedoch, dass wir noch nicht solidarisch genug waren und stellten sich vor das Auto. Eine kurze Diskussion entbrannte aber schließlich durften wir passieren.

La Paz

one response for erstes reisedrittel

  1. Anonymous sagt:

    Ich bewundere euch echt!
    Ich hätte nicht die Nerven für diese Reise. Kommt bitte wieder gut heim.
    Passt auf euch auf.Ich mag gar nicht so viel Info!
    Bussi euch beiden und fühlt euch gedrückt. Mami